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Frisch nach Deutschland umgezogen

Ein innerer Monolog von Masouda Stelzer. Vorgetragen während der Langen Nacht der Wissenschaften 2015 bei der Präsentation „Das wird man wohl noch sagen dürfen!“

17.06.2015


Frisch nach Deutschland umgezogen. Erstes Semester im Master. Im Seminar: Qualitative Methoden der Politik- und Sozialwissenschaften. Eigentlich sind wir vom Thema abgekommen und diskutieren plötzlich den politischen Islam und wie man mit ihm umgehen kann.

Es werden diverse Meinungen geäußert. Mein Kommilitone, der neben mir sitzt, meldet sich. “Jeder Moslem sieht es als seine Aufgabe, den Jihad, also den heiligen Krieg gegen Ungläubige, zu führen. Es steht im Quran so geschrieben. Sie sind dazu verpflichtet.”

Ich denke ich habe falsch gehört. Aber er redet weiter, wiederholt seine Meinung wieder und wieder und stellt sie als Fakt in den Raum. Läßt mich sprachlos.

Ich denke, irgendwie musst du darauf antworten. Soll ich ihn fragen, woher er diesen Unsinn hat? Soll ich ihm sagen, dass es so etwas wie einen heiligen Krieg im Islam gar nicht gibt, dass Jihad Streben bedeutet, dass damit vor allem das innere Streben gegen das eigene Ego gemeint ist? Soll ich ihm sagen, wie absurd es wäre, wenn ich zu einem Jihad, wie er ihn sich vorstellt, unter meinen Freunden in Ägypten aufrufen würde? Wie sie mich alle verwirrt anschauen würden oder denken, ich scherze? Oder soll ich es leichter nehmen und sagen, er soll bloß aufpassen mit seinem Jihad. Neben ihm sitzt eine muslimische Frau, die stinksauer ist, weil sie noch nicht zu Mittag gegessen hat, und ganz nah daran, mit dem Jihad loszulegen?

Ich sage nichts. Das Schwierige ist, Antworten zu geben, die nicht genauso klischeehaft sind wie seine Meinung.